Introduction

Krisen überwinden – die Balance wiederfinden – Kapitel 3

Krisen überwinden – die Balance wiederfinden – Kapitel 3

Resilienz

Haben Sie gemerkt, dass ihre “persönliche Waage” in Schieflage geraten ist? Wir möchten Ihnen nun vorstellen, welche Schutzfaktoren Sie besitzen und welche Möglichkeiten es gibt, Ihre “innere Waage” wieder ins Gleichgewicht zu bringen und Ihre Resilienz zu fördern.

Manche Menschen sind „Stehaufmännchen“ und scheinen einen unsichtbaren Schutzschild um sich zu tragen. Schicksalsschläge, Verluste und Traumata scheinen ihnen wenig anhaben zu können. Wo andere mit Depressionen, Angsterkrankungen oder Burnout reagieren, bleiben diese Personen gesund. Sie gelten als resilient.

Resilienz beschreibt die psychische Widerstandsfähigkeit und den Prozess der Anpassung an Widrigkeiten, Bedrohungen und Tragödien.

Es heißt aber nicht, dass resiliente Menschen kein Leid erleben. Traurigkeit und emotionale Schmerzen als Reaktion auf Widrigkeiten und traumatische Ereignisse sind weit verbreitet und völlig normal. Auf dem Weg zu einer ausgeprägten Resilienz gehören sie sogar dazu.  

Resilienz ist nicht angeboren, sie kann aber zum Glück erlernt bzw. ausgebaut werden.

Unsere positiven Gegengewichte

1. Beziehungen
Ein gutes und funktionierendes soziales Netzwerk zu haben, ist einer der wichtigsten Schutzfaktoren. Damit sind stärkende und unterstützende Kontakte gemeint, die innerhalb und außerhalb der Familie liegen können. Eine stabile Beziehung zu Partnern, Kindern, Angehörigen, Freunden                               sowie zu Kolleginnen und Kollegen ist in Krisenzeiten äußerst wertvoll und steigert die Resilienz. Dabei ist es wichtig, von diesen Menschen                                   auch Hilfe anzunehmen, was manchmal nicht leichtfällt.

                           Die besondere Bedeutung von Beziehungen zeigt sich etwa in der folgenden Einschätzung einer Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes: „Der                             enge Kontakt zu meinem Ehemann hat mir in dieser Zeit am besten geholfen.“

                           Hoffnung und Unterstützung finden viele auch in Vereinen, Bürgerinitiativen oder Religionsgemeinschaften. Als Mitglieder treffen sie dort auf                                 gleichgesinnte Menschen.

                           In der sozialen Arbeitswelt ist ein Schutzfaktor oft automatisch verankert. Denn anderen in ihrer Not zu helfen, kann für die Helfenden                                             sinnstiftend und stabilisierend sein. Dennoch sollten Helferinnen und Helfer in ihrem Beruf auch professionell begleitet werden, um bei                                           Themen wie „Tod“, „Verlust“ und „Ängste“ aufgefangen zu werden. Einige Arbeitgeber bieten dazu Supervisionssitzungen an, was aus                                             psychologischer Sicht zu begrüßen ist.

                           Die Corona-Einschränkungen haben unser soziales Miteinander an vielen Stellen verschlechtert. Spontane Treffen mit Freunden, Familienfeiern                             oder gemeinsame Restaurantbesuche waren lange nicht möglich. Holen Sie diese Anlässe nach, feiern Sie ein großes „Nachhol-Fest“, sobald                               dies möglich ist.

                           Die digitalen Medien bleiben auch bei fortbestehenden Einschränkungen eine tolle Möglichkeit, unsere Lieben zu kontaktieren. Nutzen Sie                                     weiterhin Videokonferenzen, Chatprogramme und das Telefon, um Ihr Sozialleben zu stärken.

                           In diesem Kurs Sie die Übung „Beziehungskreis“, die dabei hilft, das eigene soziale Netzwerk aufzuzeichnen, um ein Gefühl dafür zu                                                 bekommen, wie dieses Netzwerk überhaupt aufgebaut ist. Probieren Sie diese Übung doch einmal aus.

2. Krisen sind überwindbar
Mit dem Begriff „Krise“ ist im Allgemeinen ein Höhepunkt gemeint, was darauf hinweist, dass es einen Wendepunkt vor und auch nach der Zuspitzung der Krise gibt. Sie können Tatsachen wie das Auftauchen eines Virus nicht ändern, aber Sie können beeinflussen, wie Sie solche                                   Ereignisse interpretieren. Versuchen Sie, über die Gegenwart hinauszuschauen, und lenken Sie Ihre Gedanken darauf, wie die zukünftigen                                       Umstände ein wenig besser werden könnten.

3. Akzeptanz von Veränderung
Veränderungen gehören zum Leben dazu. Bestimmte (Lebens-)Ziele können aufgrund widriger Umstände nicht mehr erreichbar sein. Das Akzeptieren von Umständen, die nicht geändert werden können, kann dabei helfen, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die Sie ändern können.  

4. Ziele verfolgen
Entwickeln Sie einige realistische und umsetzbare Ziele. Oft ist es hilfreich, Unterziele zu formulieren und dann zunächst Dinge zu tun, um diesen kleineren Zielen näher zu kommen. Anstatt sich auf Aufgaben zu konzentrieren, die unerreichbar scheinen, können Sie sich fragen, was                             Sie am heutigen Tag tun können, um sich in die richtige Richtung zu bewegen.

5. Entscheidungsfreude
Seien Sie entscheidungsfreudig und handeln Sie in widrigen Situationen so gut Sie können. Versuchen Sie, nicht in eine Schockstarre zu verfallen. Ergreifen Sie entschlossene Maßnahmen, anstatt Probleme und Belastungen zu verdrängen.

6. Persönliches Wachstum
Viele Menschen erleben nach herausfordernden Ereignissen und schweren Schicksalsschlägen ein persönliches Wachstum in einigen Bereichen ihres Lebens, so schlimm das Erlebnis auch gewesen sein mag. Sie berichten nach Tragödien und Verlusten von einer Verbesserung                             ihrer Beziehungen zu anderen und von einem gesteigerten Selbstwertgefühl, auch wenn sie sich in einigen Lebensbereichen verletzlich fühlen.                             Außerdem entwickeln sie oft eine gewisse Religiosität bzw. Spiritualität und lernen, das Leben besser zu schätzen.

7. Positives Selbstbild
Entwickeln Sie ein positives Selbstbild von sich selbst! Sich seiner eigenen Stärken und Fähigkeiten bewusst zu sein und an einigen Stellen im Leben dem eigenen „Bauchgefühl“ zu folgen, kann die Resilienz ungemein steigern.

8. Neuer Blickwinkel
Betrachten Sie die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln und versuchen Sie, die belastenden Situationen in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Bewahren Sie sich eine Perspektive, die einen Blick in die längerfristige Zukunft ermöglicht. Versuchen Sie, aktuelle Ereignisse nicht                                   übermäßig zu bewerten.

9. Hoffnung
Bewahren Sie sich eine hoffnungsvolle Grundhaltung. Ein optimistischer Blick ermöglicht es, die positiven Dinge im Leben besser wahrnehmen zu können. Versuchen Sie, sich aktiv vor Augen zu führen, was Sie sich wünschen, anstatt Ihren Sorgen eine Bühne zu geben. 

10. Achtsamkeit & Selbstfürsorge
Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Beschäftigen Sie sich mit Dingen, die Ihnen Freude bereiten. Ernähren Sie sich gesund und treiben Sie regelmäßig Sport. Zudem sollten Sie Entspannungsübungen machen, wie sie in diesem Kurs genauer vorgestellt                                         werden. Denn so können Sie Ihre „persönliche Waage“ wieder in Balance bringen.

                           In der sozialen Arbeitswelt drehen sich die Tätigkeiten und Ziele meist um die Fürsorge für andere Menschen. Nun sind Sie gefragt, die                                           Fürsorge auf sich selbst auszuweiten. Stellen Sie im Rahmen der Selbstfürsorge Ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen in den                                         Vordergrund. Finden Sie Ihre eigenen Gegengewichte, achten Sie Ihre Grenzen und gehen Sie gut mit sich selbst um.

Religiosität & Spiritualität

Die Beschäftigung mit tiefgründigen und existenziellen Themen ist in herausfordernden Phasen des Lebens ein wichtiger Ansatz. So hat uns die Corona-Pandemie den Blick zurück auf wesentliche Dinge werfen lassen und an manchen Stellen eine „Auszeit“ beschert. Das sogenannte Gelassenheitsgebet lädt in diesem Sinne zum Nachdenken ein:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Reinhold Niebuhr (1892–1971), Theologe und Philosoph

Sollten Sie in einer diakonischen Einrichtung tätig sein, können Sie natürlich auch auf religiöse Begleitung zurückgreifen. Seelsorgerinnen und Seelsorger im kirchlichen Raum bieten mit Andachten, Gottesdiensten, Gebeten, Segnungen und vielem mehr eine wichtige Stütze. Vielleicht bietet sich nach Abklingen der Corona-Pandemie auch eine Pilgerfahrt an.

Auch Spiritualität kann ein zentraler Baustein der Balance sein. Als wichtige Technik und Bestandteil von bestimmten Religionen gehört die Meditation dazu. Ein wesentliches Element der Meditation ist das bewusste Steuern der Aufmerksamkeit. Die positiven Effekte des Meditationstrainings auf Psyche und Körper sind wissenschaftlich gut belegt. Die daraus abgeleiteten Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen sind oft sehr einfach und können gut in den Alltag integriert werden. Schauen Sie sich dazu die Übung “Hand-Methode” im Kapitel 4.4 an.

Mediennutzung in Corona-Zeiten

Der Umgang mit Medien ist ein wichtiges Thema. Im Fernsehen, im Radio und in der Zeitung – überall war und ist das Thema „Corona“ zu finden. Auch die digitalen Kanäle wie Facebook, Twitter und Instagram wurden von Corona überflutet. Im Minutentakt wurden neue Informationen gesendet, gedruckt und gepostet. Benachrichtigungen erscheinen automatisch auf dem Smartphone und im Fernsehen läuft bereits die nächste Corona-Sondersendung.

Bis zu einem bestimmten Punkt ist es natürlich hilfreich, auf dem aktuellen Stand zu sein. So ist man über die neusten Entwicklungen und mögliche Verbesserungen der Lage informiert. Eine ständige und andauernde Beschäftigung damit kann aber auch störend bei der Bewältigung des Alltags sein. Neue Meldungen können unsere Gedanken ablenken und es erschweren, uns auf den Alltag, den Beruf oder unsere Mitmenschen zu fokussieren.

Machen Sie sich doch einmal Gedanken darüber, wie lange Sie sich mit Medien beschäftigen wollen. Sollte ein Smartphone im Fünf-Minuten-Takt die neusten Updates liefern? Reicht es vielleicht, morgens die Zeitung zu lesen? Halten Sie es für angemessen, wie viel Zeit mit dem Thema „Corona“ verbracht wird? Manchmal kann es sehr hilfreich sein, sich einen Wecker zu stellen, um diese Zeit in einem vernünftigen Rahmen zu halten.

Auch die Auswahl der Informationsquellen ist ein wichtiger Punkt. Durch unsere digitalisierte Welt haben wir die tolle Möglichkeit, viele verschiedene Informationsquellen zu wählen. Kritisch ist dabei aber, dass jeder ohne großen Aufwand auf WhatsApp, Facebook und Co. ungeprüfte Informationen verbreiten kann. Hinterfragen Sie vor allem selbst erklärte „Expertinnen und Experten“ auf diesen Kanälen und greifen Sie auf etablierte Medien bzw. offizielle Stellen zurück.

Regeln für einen erholsamen Schlaf

Vielleicht kennen Sie das auch: In belastenden Zeiten, also nicht nur während der Corona-Krise, liegen viele Menschen nachts wach und grübeln über ihre Probleme, Sorgen und Nöten sowie über deren Folgen für sich selbst und ihre Familie nach, was den Schlaf verschlechtert. Aber es gibt für einen gesunden Schlaf einige wichtige Tipps, die Sie befolgen können.

Wichtig ist vor allem ein fester und regelmäßiger Rhythmus, soweit sich dies z. B. mit Schichtarbeit vereinbaren lässt. Versuchen Sie, jeden Tag zur gleichen Zeit zu Bett zu gehen, und stehen Sie zu einer ebenfalls ähnlichen Zeit wieder auf. Den Ablauf sollten Sie auch am Wochenende beibehalten. Versuchen Sie, die Bettliegezeit in einem angemessenen Rahmen zu halten, d. h. nicht weniger als sechs und nicht mehr als neun Stunden.

Das Bett sollte generell nur für zwei Aktivitäten benutzt werden: Eine davon ist Schlafen, die andere bleibt ihrer Fantasie überlassen. Nutzen Sie das Bett am besten nicht für Dinge wie Lesen, Fernsehen, Essen oder Arbeiten.

Seien Sie zudem besonders vorsichtig bei der Verwendung von Smartphones und anderen Geräten im Bett. Zum einen strahlen Bildschirme blaues Licht aus, das uns wach hält (denken Sie einmal an einen schönen Frühlingstag mit blauem Himmel). Zum anderen ist die Versuchung groß, noch kurz vor dem Schlafengehen z. B. die letzten „beunruhigenden“ Corona-Nachrichten zu lesen, die dann den Schlaf stören können. Nehmen Sie das Telefon, wenn möglich, nicht mit ins Bett.

Sollten Sie doch einmal in einer nächtlichen Grübel-Schleife gefangen sein, dann probieren Sie doch die Übung zum Grübel-Stopp im Kapitel 4.3 aus.

Folgende sechs Regeln sorgen im Zusammenspiel mit einem festen Tagesrhythmus für einen erholsamen Schlaf:

1. Achten Sie in Ihrem Schlafzimmer auf eine angenehme Atmosphäre: Sorgen Sie für abgedunkelte Fenster und schalten Sie alle Lichter und technischen Geräte aus. Vermeiden Sie Störungen durch laute Geräusche. Manchmal helfen – nach einer gewissen Eingewöhnungszeit – Ohrenstöpsel.

2. Schaffen Sie sich ein Einschlafritual: Lassen Sie den Tag zum Abend hin in Ruhe ausklingen und entwickeln Sie ein eigenes Einschlafritual, trinken Sie z. B. einen beruhigenden Kräutertee, was schlaffördernd sein kann.

3. Essen sie abends eine leichte Mahlzeit: Zu üppige und große Mahlzeiten am Abend halten uns wach. Versuchen Sie, spätestens zwei Stunden vor dem Schlafgehen Ihre letzte Mahlzeit einzunehmen. Kräutertee, was schlaffördernd sein kann.

4. Lassen Sie Alkohol vor dem Schlafen weg: Alkohol kann zwar das Einschlafen verbessern, dennoch stören schon kleinere Mengen, z. B. ein Glas Wein, den Schlafrhythmus und verursachen so Durchschlafstörungen.

5. Achten Sie auf den Genuss von koffeinhaltigen Getränken: Neben Kaffee enthalten viele andere Getränke, z. B. Cola, grüner und schwarzer Tee sowie Energydrinks, große Mengen der wach machenden Substanz Koffein. Nehmen Sie am besten nach etwa ca. 16:00 Uhr kein Koffein mehr zu sich.

6. Vermeiden Sie quälendes Wachliegen im Bett: Sollten Sie nicht einschlafen können, dann verlassen Sie das Schlafzimmer und gehen Sie in einen anderen Raum. Führen Sie dort eine beruhigende Aktivität durch, z. B. eine Kurzentspannungsübung (siehe Kapitel 4.1). Gehen Sie erst wieder ins Bett, wenn Sie müde sind. So vermeiden Sie eine Verknüpfung des leidvollen Wachliegens mit dem Bett. Koffein. Nehmen Sie am besten nach etwa ca. 16:00 Uhr kein Koffein mehr zu sich.

Tipp: Wenn Sie mehr zum Thema „Schlaf“ erfahren möchten, dann klicken Sie hier.

In Kooperation mit
Dr. Tobias Redecker
Psychologe, psychologischer Psychotherapeut
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